Berichte - Marathons, Ultras und Laufalltag

Mittwoch, 22. Juni 2011

100 km Biel, 17./.18. Juni 2011


Biel ist ein Mythos, das habe ich diesmal wieder gemerkt. Allerdings hat sich ja in diesem Jahr einiges geändert, weil das alte Start- und Zielgelände an der Eissporthalle nicht mehr genutzt werden kann.

Neuer Start, Neues Wettkampfzentrum 
Alles sollte besser werden, der Start in die Innenstadt verlegt werden, das Wettkampfzentrum und das Ziel direkt an den Bieler See.

Das klang ja erst einmal ganz gut - aber als ich dann zum Expo-Gelände am Bieler See kam, standen da zwei Zelte und das war's. Alles ist viel enger geworden, es gibt nur noch Dixi-Klos und ein paar Bauwägen mit Duschen. Das war natürlich mit der Eissport- und Curlinghalle besser. Klar wurde da auch "mobil" geduscht, aber es war alles viel großzügiger.

Besonders witzig war der Bereich, in dem wir uns umgezogen haben. Wie früher auch schon, gab es einfach Bänke und das Gepäck hat man dort direkt stehen gelassen (also keine Gepäckaufbewahrung). Auch das wilde Durcheinander von Männlein und Weiblein wurde beibehalten, was ich aber völlig unproblematisch finde. Witzig war diesmal nur, dass auf dem Boden Rindenmulch aufgeschüttet war, so dass das Ganze ein bisschen Stall-Feeling erzeugte. Egal, aber blöd war, das es doch so eng war, dass man sich mit der Umzieherei ständig in die Quere kam. Aber wir sind ja Ultras und nehmen es locker.

Das Wetter: ultra-saumässig!
Das Wetter war vorhersagegemäss sehr apart - es schüttete aus Kübeln und das Wasser lief an einigen Stellen ins Zelt hinein.Aber gnädigerweise hörte es auf, als wir die ca. 1,5 km zum Start an der Kongresshalle in der Innenstadt gingen. Der Start war schön, es war eine gute Stimmung und mir gings richtig gut - es war sogar so warm, dass ich die Armlinge schnell auszog und in meine Rückentasche schob.
In Biel kurz nach dem Start am Zentralplatz - nasse Strasse, gute Stimmung

Der Regen ließ aber nicht lange auf sich warten und ging recht kräftig wieder los. Das fand ich aber überhaupt nicht schlimm, im Gegenteil, ich laufe sehr gern im Regen. Als dann die Feldwege kamen, tappten wir recht schnell durch Riesenpfützen und die Schuhe und Socken waren dann eigentlich auch komplett nass - was sie die nächsten Stunden dann auch blieben. Der Regen hörte dann aber so nach ca. 4 bis 5 Stunden auf, es regnete zeitweise leicht und erst so ab 8 Uhr ging es wieder los, teils auch sehr kräftig. Wind gab es auch, der war teils ein wenig unangenehm, aber nie so stark, dass ich ins Frieren kam. Ich hatte ja auch vorgesorgt, neben Armlingen hatte ich auch eine leichte Regenjacke dabei, die ich aber nicht gebraucht habe.

Das Lauferlebnis Biel
Die ersten Kilometer durch die Stadt waren ganz klasse, gute Stimmung an der Strecke trotz des feuchten Wetters und wie immer war ich ganz beglückt, hier laufen zu dürfen. Dann ging es raus aus Biel und hinein in die Nacht. Wie immer bin ich schon hier die Anstiege konsequent gegangen, um Körner zu sparen. Als dann der Regen kam und die Füsse komplett nass wurden, habe ich mir ein wenig Sorgen gemacht, ob das auch keine Probleme wie Blasen o.ä. geben würde. Aber Fehlanzeige - dank der wirklich genialen Wrightsocks habe ich auch nicht das kleinste Bläschen bekommen!
Ein bisschen lästig waren die vielen Nordic Walker an der Strecke, die teils oft unvermittelt ihre Stöcke hochhoben, was das ein oder andere abrupte Ausweichmanöver erforderte. Erstaunt war ich, dass nicht wie sonst die MarathonläuferInnen von hinten kamen - aber der Grund hierfür stellte sich ja dann heraus: die Armen waren fehlgeleitet worden und haben ihrer 7km-Schleife in der Bieler Innenstadt ausgelassen und waren folglich alle schon durch. Ärgerlich!
Mein Lauf durch den dichten Regen war sehr entspannt und es war zwar alles nass, aber noch war es recht warm. So habe ich an jeder Verpflegungsstation mindestens 3 Becher getrunken und von Anfang an gegessen (naja, ich bin halt auch gefrässig...). Die wunderschöne Holzbrücke bei Aarberg war schnell erreicht und hier war wieder eine Superstimmung, die mir jedesmal eine Gänsehaut bereitet.
Auf der wunderschönen alten Holzbrücke in Aarberg - immer ein Stimmungsnest! Und trocken, weil überdacht...

Bis Oberramsern bei km 38 regnete es ununterbrochen, erst danach hörte es auf. Den Streckenabschnitt bis Kirchberg habe ich sehr genossen, die Linden haben unglaublich intensiv geduftet, überall tropfte es und dann und wann waren die für Biel so typischen Kuhglocken zu hören. Ganz toll ist es immer wieder, durch die Dörfer zu laufen, in denen wetterbedingt dieses Jahr zwar nicht die Riesenstimmungsnester waren, aber doch immer ein paar Menschen da standen, die uns angefeuert haben. Der Himmel war zwar bewölkt, aber es war doch deutlich zu erkennen, das wir durch eine Vollmondnacht liefen - ein Schimmern war durch die großartigen Wolkenformationen zu erkennen, was mich richtig glückselig machte. Und dann kam er, der für mich jedesmal magische Moment: das erste Vogelzwitschern! Diesmal habe ich es recht spät gehört, es war so kurz vor vier Uhr und dann könnte ich jedesmal vor Glück heulen, das ist so ein tiefes Gefühl des Friedens und der Dankbarkeit, das mich dann erfüllt. Natürlich gab es diesmal keinen tollen Sonnenaufgang, aber das langsame Hellerwerden des Himmels und die verschiedenen Facetten des Graus, die der Himmel da hinzauberte, waren unglaublich schön. Der Einlauf dann nach Kirchberg bei km 56 ist wie immer ein ganz besonderes Erlebnis gewesen - ich habe dann immer das Gefühl, nach Hause zu kommen, kurz nachzuschauen, ob alles ok ist und dann gehts weiter. Weil ich so nass war, habe ich diesmal auf die Kaffeepause verzichtet, mich nur über den Verpflegungsstand hergemacht und die Köstlichkeiten genossen - und dann ging es Richtung Emmendamm.
Dort bin ich jedes Jahr aufs Neue erstaunt, das ich das Laufen dort toll finde - gerade weil es dort so hohe Konzentration erfordert, nicht zu fallen oder umzuknicken. Und es ist einfach wunderschön dort, ein bisschen wie eine Auenlandschaft, direkt am Wasser, die Bäume tropften vor sich hin und der Wald war voller Leben - Vogelgezwitscher, Rascheln, Knistern....das war sehr beglückend!
Und dann war der Emmendamm schon wieder zuende und fast habe ich es bedauert und mich bis zum nächsten Jahr verabschiedet - übers Brückchen und dann kam der Abschnitt bis nach Bibern bei Km 76, den ich auch sehr mag. Sanfte Hügel, zwischendrin Wald und mittlerweile ganz heller Tag - wenn auch jetzt wieder mit stetig stärker werdendem Regen.
Der Checkpoint Bibern ist schon von weitem zu sehen und auch der fulminante Anstieg, der uns danach erwartet und den ich deswegen so toll finde, weil man so weit ins Land schauen kann. Danach geht es abwärts mit Blick auf das Tal und dem Wissen, dass jetzt keine großen Anstiege mehr kommen. Bald erreichen wir den Flußweg, der uns diesmal bis ins Ziel begleiten wird - die letzten 11 km sind für mich auch Neuland.
Bei Büren an der Aare - jetzt sind es nur noch rund 20 km
 Erst fand ich es schade, dass die letzten Kilometer verändert wurden, gerade weil ich sie in so intensiver Erinnerung von den letzten fünf Läufen in Biel habe - aber die Streckenänderung ist gut! Es wird immer schöner, links tut sich der Bieler See auf, Boote liegen vertäut, eine Entenfamilie begrüsst mich - bei schönem Wetter ist es vermutlich traumhaft hier zu laufen. Die letzten Meter gehts dann durch ein Wäldchen und der Zieleinlauf ist natürlich ganz toll - wie gehabt blauer Teppich und persönliche Begrüssung durch den Sprecher.
Sieht doch ganz dynamisch aus, oder?

Der Schatten ist NICHT von der Sonne, sondern von Scheinwerfern...

Dankbar nehme ich meine Medaille in Empfang und gehe nass und überall tropfend ins Zelt, um mich umzuziehen.Die HelferInnen haben wirklich einen ganz tollen Job gemacht, überall waren sie freundlich, obwohl es bestimmt ganz schön hart war, bei diesem Wetter stundenlang in der Nacht nasse LäuferInnen zu versorgen. Und dann hole ich mir noch meine Urkunde und das Finishershirt, das diesmal grün ist.
Es war mal wieder ein einmalig toller Lauf in Biel, diesmal mit viel Regen, aber wer das Glück wie ich hatte, sechsmal dort zu laufen und das Ziel zu erreichen, wird eben mit allen möglichen Wetterlagen umgehen dürfen. Im letzten Jahr fand ich es viel anstrengender, da war die Nacht tropisch warm und ich bin fast in jeden Brunnen hineingestiegen.
Was vom diesjährigen 100er in Biel bleibt? Dankbarkeit, Glück und die Vorfreude aufs nächste Jahr, wenn es mir denn vergönnt ist, dort wieder laufen zu dürfen.

Dienstag, 7. Juni 2011

Europamarathon Görlitz/Zgorzelec, 5. Juni 2011

Schon sehr lange habe ich den Wunsch gehegt, den grenzüberschreitenden Europamarathon in Görlitz bzw. Zgorzelec zu laufen. Es ist natürlich nicht gerade um die Ecke, aber mit dem Zug sehr gut erreichbar: in Darmstadt eingestiegen in den ICE direkt nach Dresden, dort dann in den Regionalexpress bis nach Görlitz (einige Regionalexpresszüge fahren dann noch weiter nach Wroclaw, das dauert gerade mal noch zwei Stunden! Und da ist im September auch ein Marathon....).
Zwischenhalt in Bautzen, auf sorbisch Budysin
 In Görlitz angekommen, bin ich gleich mal von dem wunderschönen Bahnhof begeistert, der ein bisschen an meinen Heimatbahnhof Darmstadt erinnert - auch eine wunderschöne Decke!
Hier kommt man doch richtig gerne an!
 Der Weg zum Hotel, dem "Alt-Görlitz" ist nicht weit, das Hotel ist erst vor einem Jahr eröffnet worden und liegt nahe der Innenstadt in einer ruhigen Strasse. Kaum angekommen, mache ich mich auch schon auf Entdeckungstour durch Görlitz. Gleich um die Ecke ist der Postplatz, der mit diesem schönen Brunnen einen wunderbaren Anblick bot. Dieser Brunnen, die "Muschelminna", wurde 1887 als Kunstbrunnen eingeweiht und galt als schönster Brunnen Schlesiens. 1937 wurde der Originalbrunnen, der aus Bronze bestand, eingeschmolzen für die Waffenindustrie. Aber zum Glück wurde 1994 eine Replik geschaffen und so hat Görlitz diesen wunderbaren Brunnen mit der "Minna" wieder, die die Natur symbolisiert - sehr überzeugend, wie ich finde!
Die Muschelminna auf dem Postplatz
Weiter ging es auf Erkundung der Stadt Görlitz, die mich jetzt schon begeistert durch ihre Schönheit, aber auch durch ihr südländisches Flair, was wohl auch am Wetter lag. Kurz darauf stand ich vor diesem Turm, dem Reichenbacher Turm, der bereits 1376 zum ersten Mal erwähnt wird. Er diente der Stadtbefestigung und hat eine sehr wechselvolle Geschichte erlebt. Der letzte Türmer hat noch im vergangenen Jahrhundert hier gelebt und natürlich werde ich ihn auch besteigen!

Vorher besuche ich aber noch die Ausstellung "via regia" in der Kaisertrutz, schräg gegenüber vom Reichenbacher Turm. Die Kaisertrutz aus dem 15. Jahrhundert war ebenfalls ein Teil der Stadtbefestigung und erhielt den Namen Kaisertrutz im Verlauf des Dreissigjährigen Krieges.  Diese Ausstellung stellt unter verschiedenen Aspekten die Geschichte der via regia dar, eine der wichtigsten Handelsstrassen, die von Kiew über Krakau, Breslau und Görlitz bis nach Frankfurt am Main und Mainz verläuft.
Die Kaisertrutz, in dem die via regia Ausstellung zu sehen ist.
Danach geht es gut 160 Stufen hoch in den Reichenbacher Turm und von dort oben habe ich eine wunderbare Aussicht über Görlitz und das umliegende Land.
Blick auf die Kaisertrutz von oben, im Hintergrund die Landeskrone (so wird dieser Berg bezeichnet)

Blick über den Obermarkt in Richtung Osten

Blick nach Südosten, im Hintergrund ist Zgorzelec zu sehen
Nach dem Turmabstieg habe ich mir eine Latte Macchiato gegönnt und bin dann weitergegangen, u.a. auch am Frauenturm vorbei, der auch Dicker Turm heißt und ein wenig an den Weißen Turm in Darmstadt erinnert. Dieser Turm steht bereits seit 1305 und auf einem Relief sind Maria und Barbara zu sehen, die das Stadtwappen halten.
Frauenturm oder auch Weißer Turm
 Dann bin ich weiter Richtung Neiße gegangen und über die Altstadtbrücke nach Zgorzelec und dort die schöne Flußpromenenade entlanggeschlendert.
Auf der Neißebrücke Richtung Zgorzelec
 Vorbei am Jakob Böhme Haus und die Landschaft wird trotz der Stadtnähe immer urtümlicher.
An der Neiße entlang Richtung Süden
Ich gehe bis zur nächsten Brücke, die Brücke Jan Pawel II, die wir morgen beim Marathon überqueren werden.
Brücke Jan Pawel II

Naturnahe Flußlandschaft an der Neiße an der Uferpromenade
Belohnt werde ich mit einem wunderschönen Sonnenuntergang, der die Wolken in die verschiedensten Rot- und Orangetöne taucht.
Welch tolles Farbenspiel über den Dächern von Görlitz!

Und die Spiegelungen in der Neiße sind auch wunderschön! 
Fast hätte ich vergessen, dass da ja noch ein Marathon war - natürlich mit Nudelparty am Vorabend auf dem Elisabethplatz und einem Funktionsshirt, das richtig toll aussieht (mit der deutschen und polnischen Flagge drauf, beide stilisiert, sehr nett). Unter dem Banner des Europamarathons habe ich mich dann von einem netten Engländer noch fotografieren lassen - Banner und T-Shirt passen doch gut zueinander, oder?
Nach der Nudelparty am Vorabend des Europamarathons
 Der Marathon selber war dann - wie im Vorfeld schon klar wurde - eine Hitzeschlacht, die ich aber gut überstanden habe. Anfangs lief ich vor dem Besenwagen her, was mir aber völlig egal war, weil ich mein Tempo lief, das mir gut tat. Zuerst ging es kurz durch die Altstadt von Görlitz, eine Sambagruppe hat Dampf gemacht (super!), dann über die Brücke nach Zgorzelec, wo wir mit Blasmusik begrüsst wurden, als wir durch die Strassen liefen. Es gab einige, sehr freundlich applaudierende ZuschauerInnen und hier waren bereits sehr regelmässig Verpflegungsstationen aufgebaut mit vielen, vielen HelferInnen. Dziekuje bardzo! (das heisst vielen Dank)
Bis km 7,5 liefen wir auf einer Landstrasse Richtung Süden - wären wir weiter gelaufen, wären wir bald über die Grenze nach Tschechien gelaufen! Nach 7,5 km gab es eine Wende und es ging wieder zurück. Nach gut 13 km ging es dann wieder nach Görlitz und dann am Bahnhof vorbei in Richtung Vororte - eine Plattenbausiedlung und ein Industriegebiet, was aber gar nicht mal so hässlich war. Und überall, alle 2 bis 3 km gab es Verpflegung, überall freundliche HelferInnen, die mir die Becher persönlich überreichten. Klasse! Und gute Stimmung!
Dann ging es raus aus Görlitz und über die Dörfer und linkerhand hatten wir immer die Landeskrone im Blick. Die Strecke war wellig, keine sehr steilen Anstiege, aber immer ein stetiges Auf und Ab. Und die Sonne brannte schon ganz schön, so dass ich mir ständig Wasser über den Kopf goss. So ließ es sich gut laufen, natürlich nicht schnell, aber das muss ja auch nicht sein.
Einige Läufer haben der Hitze Tribut zollen müssen und stiegen aus, einem Mitläufer, der am Boden lag, habe ich geholfen, aber zum Glück war da schon ein Krankenwagen unterwegs. Ich hoffe, er hat sich wieder gut erholt!
Ca. 5 km vor dem Ziel sind wir wieder ins Stadtgebiet von Görlitz gelaufen, dort gab es auch nochmal ein bisschen Live-Musik von einer Trommelgruppe und einen fiesen Anstieg bei km 39 - den bin ich dann aber gegangen.Auf den letzten Kilometern begleitete mich ein Läufer aus Berlin, das war nett. Und dann tauchte auf einmal ein Radfahrer mit dem Schild "16. Frau" aus und meinte, er würde mich jetzt ins Ziel eskortieren. Witzig, als 16.! Naja, immerhin sind noch drei Frauen nach mir ins Ziel gekommen....
Im Ziel gabs dann eine hübsche Medaille mit blauem Europaband und eine Soforurkunde. Und danach habe ich mir erstmal eine ordentliche Wurst mit Senf gegönnt und dem Görlitzer Jugendblasorchester gelauscht!
Am Abend bin ich dann nochmal nach Zgorzelec gegangen, habe dort sehr gut gegessen und den sehr warmen Abend genossen.
Fazit: eine schöne Reise, mit der ich mir einen Wunsch erwünscht habe - und nach Görlitz würde ich gern nochmal reisen!