Berichte - Marathons, Ultras und Laufalltag

Montag, 10. Juni 2013

7./8. Juni 2013, 100 km Lauf in Biel



Diesmal bin ich hier schon zum achten Mal dabei und das bei wirklich optimalen Wetterbedingungen, was ja nach diesen kalten, langen Winter und dem nassen und auch kaltem Frühling ja wirklich etwas sehr besonderes ist. Und natürlich auch angesichts der dramatischen Hochwassersituation in vielen Teilen Deutschlands und Europas, das ist wirklich ganz schlimm und ich hoffe, dass die betroffenen Menschen alle Unterstützung bekommen, die sie brauchen.

Mein Lauf ging sehr locker und leicht über die Bühne, die Anreise war völlig unkompliziert und entspannt. Mit dem neuen Wettkampfzentrum Kongresszentrum und Sporthalle Esplanade ist ein guter Ort gefunden worden, um den Lauf in die Innenstadt zu verlegen und logistisch gut vorbereitet zu sein. Ganz toll fand ich dieses Jahr, dass das Festzelt so aufgebaut war, dass wir LäuferInnen die letzten 100 Meter durch das Zelt liefen, bevor wir dann durchs Ziel kamen. Tolle Idee, das sollte beibehalten werden!

Nach sieben Läufen in Biel ist mir die Strecke ja eigentlich vertraut, aber dennoch entdecke ich immer wieder Neues. Traumhaft schön war diesmal der Nachthimmel, es war ja Neumond und so hatten wir ein unglaublich schönes Sternenzelt über uns. Ich wäre am liebsten die ganze Nacht mit dem Kopf im Nacken gelaufen, um alle Sterne die ganze Zeit betrachten und bewundern zu können. Das hätte mir aber aber wohl kaum gut getan und ich wäre vermutlich auch hübsch hingefallen...

Der erste Teil der Strecke durch die Bieler Innenstadt ist immer Gänsehaut pur. Die Menschen an der Strecke sind euphorisch und klatschen wie verrückt und da ist es gar nicht so leicht, sehr langsam und bedächtig zu laufen und sich innerlich auf die vielen Stunden der absoluten Ruhe und Einsamkeit vorzubereiten. Aber ich liebe dieses Feeling - in diesem Fall nicht die Ruhe vor dem Sturm, sondern der Sturm vor der Ruhe!

Dann geht es hinaus in die Stille der Nacht, und bald darauf werden wir ständig überholt von den Halbmarathonis und Marathonis, die kurz nach uns gestartet sind und zudem noch eine Extra-Schleife durch Biel gedreht haben, ehe sie auf die Strecke ausserhalb der Stadt gehen. Auf diesen ersten 15 Kilometern gilt es immer, das Wohlfühltempo zu finden, durch die Nacht zu gleiten in dem Wissen, dass wieder eine wunderbare Reise durch das Bieler Land und natürlich durch die eigene Seele bevorsteht.

Ein erster Höhepunkt, auf den ich mich immer sehr freue, ist die Holzbrücke von Aarberg nach ca. 17 km, auch hier ist wieder die Hölle los, viel Publikum und eine wunderbare Kulisse, als wir über die alte Holzbrücke laufen. Hier verlassen uns die Halbmarathonis und laufen ins Ziel. Natürlich gibt es hier, wie auch schon vorher, wieder eine sehr gut ausgestattete Verpflegungsstelle mit sehr netten, hilfsbereiten HelferInnen, die mal wieder Spitze waren.
 Weiter geht es auf den nächsten Kilometern und hier können wir weit ins Land schauen, was bei dieser klaren Nacht ganz toll ist. Gelegentlich schaue ich natürlich in den Himmel aber auch mal nach hinten und dort sehe ich einen endlosen Leuchtpunkte-Schwarm - die vielen Stirnlampen der LäuferInnen, die die Nacht illuminieren.

Dann kommen wir nach Oberramsern, Ziel des Nachtmarathons und für uns 100er LäuferInnen der erste große Checkpoint. Und wieder eine tolle Verpflegungsstelle, ich finde, dass das Brot in diesem Jahr noch besser schmeckt als sonst. Noch ist es tiefe Nacht und jetzt kommen viele kleine Dörfer mit Bauernhöfen, von denen viele plätschernde Brunnen vor den Ställen haben. Das ist auch immer toll, einfach mal kurz abkühlen an einem Brunnen, obwohl diese Nacht nicht zu warm ist. Es wird immerhin so kühl, dass ich meine Armlinge anziehe, aber unangenehm ist es nie.


So langsam zieht der Morgen herauf, ganz sachte, sehen kann ich noch nichts, aber ich spüre es deutlich, dass der Tag kurz vorm Erwachen ist. Und da ist er wieder, der erste Vogel, diesmal ist es kurz nach 4, als ich ihn zwitschern höre. Ich nähere mich Kilometer 50, der kurz nach einem Wäldchen auftaucht, das auf einer Anhöhe liegt - für mich hat dieses Wäldchen fast eine mystische Ausstrahlung. Und langsam und stetig geht es weiter bis ich dann nach Kirchberg komme, Kilometer 56 und hier ist der zweite große Checkpoint. Die frühmorgendliche Stimmung ist hier immer sehr angenehm, es duftet nach Kaffee und die Bänke laden zum Verweilen ein. Ich will aber weiter zu meinem geliebten Emmendamm - ein fast 10 km langes Stück durch einen Auenwald, teils ein bisschen trailige Strecke aber längst nicht so schlimm wie zu den früheren, legendären Bieler Hunderten. Klar, die Steine auf dem Weg sind teils rutschig, aber da laufe ich eben noch langsamer oder gehe auch mal kurz. Und an einem sonnigen Tag ist es im Auenwald besonders schön, es ist feucht und fast ein bisschen tropisch. Und das satte Grün lässt uns so richtig tief eintauchen in die Natur und die Emme, die uns die ganze Zeit auf der linken Seite begleitet, fließt und plätschert vor sich hin. Dann ist der Emmendamm zuende und kurz geht es durch Gerlafingen,  bevor es wieder aufs Land hinaus geht - jetzt scheint die Sonne richtig, aber es ist noch nicht zu warm. Die Hügel, die jetzt kommen, lassen mich doch spüren, dass ich jetzt fast 10 Stunden auf den Beinen bin. Aber das kenne ich ja schon - und Hügel sind ja sowieso zum Gehen da, oder?
An der nächsten Verpflegungsstelle halte ich ein kurzes Schwätzchen mit den HelferInnen, die noch erstaunlich wach und fit sind - und total nett und ermutigend. Das macht Spass!
Weiter gehts und ich erahne schon in der Ferne Bibern, der dritte Checkpoint bei Kilometer 76. Auch hier wird wieder gelabt und gefuttert, was das Zeug hält - überhaupt esse ich diesmal richtig viel... Schmeckt halt so lecker.
Dann kommt der längere, steile Anstieg hinter Bibern, den ich sehr gemütlich angehe und dabei den Blick über die schöne Landschaft schweifen lasse. Hach, ist das schön hier! Dann laufen wir weiter Richtung Arch, links und rechts ist Wald und dann geht es hinunter ins Tal - ein schöner Anblick! Kurz darauf erreichen wir den Nidau-Büren Kanal und hier zeigt sich deutlich, dass das Hochwasser auch hier seine Spuren hinterlassen hat. Noch nie war hier so viel Wasser und die Fließgeschwindigkeit ist wahnsinnig hoch. Da möchte ich nicht hineinfallen, zumal ich dann weg von Biel getrieben würde.... Jetzt muss ich immer mal wieder kleinere Abschnitte gehen, damit ich mich auch rundum wohl fühlen kann, die Wärme nimmt zu und ich bin froh, meinen Trinkgürtel dabei zu haben.

Dabei geht es gar nicht so sehr ums Trinken, das Wasser aus den kleinen Fläschchen spritze ich mir immer ins Gesicht und das tut so gut. Teilweise ist der Weg noch nass und das Wasser reicht sehr dicht an den Weg - das war vor ein paar Tagen bestimmt noch gesperrt, so wie es aussieht. Nach und nach wird es voller um uns herum, RadfahrerInnen kommen uns entgegen und Kilometer 90 ist erreicht - und kurz darauf mal wieder eine supergut ausgestattete Verpflegungsstelle. Hier trinke ich ordentlich Cola, das gibt einen richtigen Kick und Kilometer 95 ist schneller erreicht als gedacht. Von jetzt an ist jeder Kilometer ausgeschildert (bis dahin war nur alle 5 Kilometer ein Schild) und so kommt es mir vor, als würde ich auf einmal viel schneller sein, weil eben so oft Schilder auftauchen - was natürlich Quatsch ist, weil ich objektiv viel langsamer bin als am Anfang. Aber mir geht es gut, ich freue mich wie Bolle und da taucht auf der rechten Seite der Bahnhof von Biel auf - also ist es gar nicht mehr weit! Ein paar Strassen noch, ich höre schon den Sprecher und dann gehts durch das Festzelt - klasse Idee - ein frenetischer Jubel (dabei bin ich ja nun wirklich nicht doll schnell unterwegs), eine Kurve noch und da ist das Ziel erreicht - welch eine Freude! Eine Helferin fragt mich, ob sie mir den Chip abnehmen darf, oder ich mich erst ausruhen will - aber mir gehts prächtig. Und da sehe ich Eva mit ihrer Mutter und Tochter Christina aus Flensburg, was mich sehr freut. Martin, der mich vor acht Jahren zum Bieler Hunderter motiviert hat, ist schon längst im Ziel und gerade beim Duschen, so sehen wir uns leider nicht. Im Ziel gibt es alkoholfreies Bier, himmlisch, das schmeckt, dazu natürlich noch andere Getränke und Obst. Ich lasse es mir richtig gut gehen, setze mich noch kurz in die Sonne, ehe ich dann gemütlich zum Duschen in die Sporthalle gehe und dann in aller Ruhe zum Bahnhof gehe und die Rückfahrt überwiegend schlafend verbringe. Es war mal wieder wunderbar in Biel - und ich komme gerne wieder!